Rabatt für eine gesunde Lebensweise: Bundesgerichtshof kippt Klauseln in der Berufsunfähigkeitsversicherung

(Positive) Gesundheitsdaten gegen Geld: Mit diesem Angebot wollte eine Tochter der Generali Versicherung Kunden für ihren Telematik-Tarif gewinnen. Das Konzept: Versicherungsnehmer, die einen aktiven Lebensstil pflegen und ihre Aktivtäten überwachen lassen, sollten einen Nachlass auf ihre Versicherungsprämien erhalten. Der Rabatt sollte umso höher ausfallen, je besser die Werte der ausgewerteten Gesundheits- und Fitnessdaten sind.

Punkte für den sogenannten Vitality Status gab es unter anderem für Sport oder Arztbesuche. Die Daten wurden über eine App erfasst und mit Prämien und Preisnachlässen bei Partnerunternehmen belohnt. Durch das Ansammeln von Punkten konnten Kunden zudem den Status „Bronze“, „Silber“, „Gold“ oder „Platin“ erlangen – mit jedem neuen Level und auch neue finanzielle Vorteile erreichen.

Schlupfloch zugunsten des Versicherers?

Die dem Programm zugrunde liegenden Klauseln hielt der Bund der Versicherten (BdV) allerdings für unwirksam.

Konkret hieß es darin unter anderem:

„Die Überschussanteile Ihrer Versicherung können steigen, wenn die versicherte Person durch sonstiges gesundheitsbewusstes Verhalten einen entsprechenden … Vitality Status erreicht, wodurch der Nettobeitrag sinken kann. Umgekehrt können die Überschussanteile Ihrer Versicherung aber auch sinken, wenn die versicherte Person sich weniger sonstig gesundheitsbewusst verhält und einen diesem Verhalten entsprechenden (…) Vitality Status erhält, wodurch der Nettobeitrag steigen kann. Der Nettobeitrag ergibt sich aus dem um die Überschussanteile reduzierten Betrag. Einzelheiten hierzu, insbesondere zu den von dem (…) Vitality Status abhängigen jährlichen Zu- oder Abnahmen Ihres Nettobeitrages, sowie zu den in jedem Versicherungsjahr geltenden Grenzwerten und Bezugsgrößen finden Sie in unserem jährlichen Geschäftsbericht; diese Werte werden jährlich im Rahmen der Überschussdeklaration neu festgesetzt.“

Die Klage der Verbraucherschützer gegen die Versicherung landete schließlich vor dem Bundesgerichtshof. Die Karlsruher Richter entscheiden dabei zugunsten der Verbraucherschützer – und der Versicherten.

Sie befanden, dass zwei Klauseln des fraglichen Telematik-Tarifes der Inhaltskontrolle nicht standhalten konnten (BGH, Az. IV ZR 437/22).

Klauseln müssen transparent und verständlich sein

Konkret hatte der BdV kritisiert, dass die Regelungen des Tarifs intransparent seien. So lasse sich den Formulierungen zum Beispiel nicht entnehmen, welches konkrete Verhalten welche Vergünstigungen nach sich zieht. Nicht hinreichend klar werde zudem, dass die Überschussbeteiligung und damit die Prämiennachlässe für die Versicherten auch bei gesundheitsbewusstem Verhalten ausbleiben könnten, wenn die Wirtschaftslage des Versicherers sich verschlechtere.

Weiterhin monierten die Verbraucherschützer mangelnde Fairness in den AGB. Es sei nicht hinnehmbar, dass Aktivitäten nicht berücksichtigt würden, wenn die Fitnessdaten zu spät geliefert würden, und zwar unabhängig davon, ob die Verspätung auf ein Versäumnis des Kunden oder Fehler bei der Technik des Versicherers zurückgeht.

Bundesgerichtshof entscheidet gegen Versicherung

Der BGH gab den Verbraucherschützern in weiten Teilen Recht, da die Gesellschaft ihren Kunden nicht hinreichend erkläre, nach welchen Maßstäben die Vergünstigungen über die Überschussbeteiligung zustande kämen. Zudem kritisierten die Richter die Regelungen, wonach verspätet übermittelte Gesundheitsdaten bei der Vergabe der Vergünstigungen nicht berücksichtigt werden. Dies verstoße gegen das Geboten von Treu und Glauben und benachteilige die Verbraucher in unangemessener Art und Weise: Versicherungsnehmer dürften nicht automatisch benachteiligt werden, nur weil sie es versäumen, ihr gesundheitsbewusstes Verhalten mitzuteilen. Unzulässig sei es auch, dass Risiko auf den Kunden zu übertragen, selbst wenn andere für die verspätete Mitteilung verantwortlich sind.

Trotz des eindeutigen Urteils will die Generali an ihrem Vitality-Gesundheitsprogramm festhalten und lediglich die unwirksamen Klauseln anpassen.

Kommentar von Jürgen Wahl, Fachanwalt für Versicherungsrecht in Alzenau:

Telematik-Tarife werden in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Inwieweit sie tatsächlich den Gesundheitszustand der Versicherten positiv beeinflussen und dadurch die Ausgaben für Versicherungsleistungen senken können, bleibt allerdings abzuwarten.

Versicherungsrecht Alzenau

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